Formen und Zielsetzung des Schachunterrichtes

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Foto: Gonzalo Garcia von dieschulschachprofis.ch

Im dritten Teil unserer «[link blog="127"» Reihe stellen wir mögliche Unterrichtsformen und sinnvolle Ziele vor. Diese beiden Aspekte sind nicht voneinander zu trennen. Schach und Schule können vielfältig miteinander kombiniert werden, weshalb sich der Einstieg für Lehrpersonen eher kompliziert gestaltet. Hoffentlich stösst dieser Artikel weitere Schulschachprojekte an.

In den letzten Jahren haben viele europäische Länder das Schachspiel für pädagogische Zwecke entdeckt. In England hat die Bewegung «Chess in Schools and Communities» einen regelrechten Schachboom ausgelöst. Beim internationalen Projekt «Yes2chess» ist mit Fussballtrainer Felix Magath ein prominenter Unterstützer mit an Board. Das folgende Video ist sinnbildlich für deren Professionalität:

In der Schweiz sind wir von einer flächendeckenden Einführung des Schachunterrichts in Schulen weit entfernt. Eine solche Veränderung erfordert viel «Humanpower» und ein überzeugendes Konzept. Der schweizerische Schachbund (SSB) scheint diese Kapazitäten nicht zu haben oder verfolgt zumindest die Idee des Schulschachs nicht konsequent. Umso erfreulicher ist die Initiative des Vereins «Die Schulschachprofis».

Innerhalb von einem Jahr etablierte das Team um Peter Hug in Zusammenarbeit mit örtlichen Schulen über ein Dutzend Kinderschachclubs. Das Angebot ist vielfältig und reicht von Unterrichtsstunden durch ausgebildete Schachtrainer und Polysport-Schachwochen bis hin zu kurzweiligen Lehrerausbildungen. Falls Sie als Lehrer oder Lehrerin Schach in den Schulstoff integrieren möchten, selbst aber nicht genügend Fachwissen besitzen, dürften die Schachschachprofis ein interessanter Partner für Sie sein.

Kursform

Im Artikel «[link blog="128"]» haben wir bereits unzählige Argumente geliefert, weshalb Schach an Schulen unterrichtet werden sollte. Allerdings ist es wichtig, dass ein Schachkurs nicht gleich Schachkurs ist. Vor allem die seriös durchgeführten Studien von Universitäten beziehen sich auf Langzeitprojekte. Wir empfehlen deshalb Semester oder noch besser Jahreskurse.

Eine Schachstunde respektive Lektion pro Woche ist ideal. In Trier wurde dies gleich über vier Jahre getestet. Das ist ein wünschenswertes Beispiel, jedoch in den meisten Fällen nicht besonders realistisch, weil Primarklassen in der Regel nach zwei Jahren den Lehrer wechseln. Ein vierjähriger Schachunterricht würde eine Lösung auf Gesamtschulebene oder gar im schweizerischen Lehrplan erfordern. Bei einer Stunde pro Woche schätzen wir ein Semester als untere Grenze, um Fortschritte bezüglich Konzentrationsfähigkeit feststellen zu können.

Schach mag eine wunderbare Lebensschule sein, aber ein hyperaktives Kind wird (auf natürlichem Weg) nicht innerhalb einer Woche ruhiger. Langfristige Kurse mit einer Lektion pro Woche geben den Kindern die nötige Zeit, den Stoff zu verarbeiten und Kernkompetenzen zu entwickeln. Es braucht Zeit und Geduld, bis erste Fortschritte erzielt werden. Der österreichische Schachlehrer Alexander Wild schreibt in seinem empfehlenswerten Blog:

«Nach meinen Beobachtungen ist eine Verbesserung der schulischen Leistungen ein Nebenprodukt des Schachspielens, aber mehr als einen leichten Zuwachs der Konzentration zu erwarten, bei einer Stunde pro Woche, wäre utopisch.»

Dies mag vielleicht etwas krass formuliert sein, dürfte in der Tendenz jedoch zutreffen. Es wäre falsch, vom Schachunterricht nach wenigen Lektionen messbare Erfolge zu erwarten. In der langen Frist sind die positiven Effekte aber nicht von der Hand zu weisen.

Sind Projektwochen mit dem Thema Schach deswegen unnütz? Natürlich nicht! In einer intensiven Projektwoche können Schüler die Schachregeln lernen und anschliessend Partien spielen. Einige werden von der Faszination vielleicht gepackt und finden den Weg in einen Schachverein. Andere erinnern sich beispielsweise zehn Jahre später im Militär daran und spielen dort eine Freundschaftspartie.

Unterschiede zwischen Projektwochen und Jahreskursen liegen in ihren Wirkungsweisen. In einem gedehnten Lehrgang profiteren gerade «leistungsschwache» Schüler besonders stark. Sie finden zu neuem Selbstvertrauen und kriegen zusätzlichen Halt. Dieser Effekt dürfte in einer Woche nicht stattfinden oder zumindest nicht von Dauer sein. Dabei zielt unser Argument keineswegs auf die Spielstärke ab. Die Spielstärke von Kindern wird bei Projektwochen respektive Jahreskursen mit selber Gesamtstundenanzahl nicht gravierende Unterschiede aufweisen. In Vereinen mögen Wettkämpfe und dementsprechend die Spielstärke einigermassen wichtig sein. Bei einem Schulschachprojekt wäre das der falsche Ansatz.

Schach in der Schulle soll Spass machen!

Foto: Gonzalo Garcia von dieschulschachprofis.ch

Primäres Ziel sollte es sein, Begeisterung und Freude am Schachspiel zu wecken. Schüler werden mit Freude aber auch Einsatz vom Schachspiel profitieren. Kinder sollen dabei ihren persönlichen Weg zum Spiel der Könige finden dürfen. Nur so werden sie lernen zu lernen und den gewünschten Forscherdrang entwickeln. Alexander Wild fasst dies schön zusammen:

«Wichtig ist, dass jeder Einzelne von ihnen die Möglichkeit erhält, sein Schachspiel so zu gestalten, dass es seinen Bedürfnissen und Möglichkeiten entspricht.»

Fehler werden zu Beginn relativ locker hingenommen, mit der Zeit jedoch analysiert und kritisch hinterfragt. Dank dem Schachspiel verfällt ein Kind nicht dem Irrglauben, man solle oder könne fehlerfrei sein/spielen. Der Schachspieler weiss, dass er immer wieder Fehler machen wird. Entscheidend ist für ihn, dass er denselben Fehler nicht zweimal begeht.

Wenn das selbstständige Denken Spass macht, werden Kinder in der Lage sein, nützliche von unnützen Informationen zu trennen. Dieser Fähigkeit wird im Informationszeitalter viel zu wenig Beachtung geschenkt. Dr. Peter Dauvergne von der University of Sidney hat das Schachspiel in Bezug auf die geistige Entwicklung von Kindern untersucht. Er kommt zum Schluss, dass Schach eine der effektivsten Lernmethoden ist, um Kinder auf eine zunehmend komplexe Welt vorzubereiten. Dabei meint er insbesondere die Überflutung durch Informationen und die immer schwerer werdende Entscheidungsfindung. Bei einer Schachpartie müssen laufend schwierige Entschlüsse gefasst werden, deren endgültige Folgen wir nicht vollständig beurteilen können.

Vergessen Sie niemals, die gesamte Klasse als Zielgruppe zu definieren und nicht bloss die Schachbegabten. Werden Kinder dauernd überfordert und können den Schachlektionen nicht folgen, werden sie das Schachspiel ablehnen. Sie werden glauben, dass Schach keinen Spass macht bzw. ihnen einfach nicht gefällt. Solche Kinder hatten keine faire Chance, es anders zu erfahren.

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